Einzelkämpfer nicht gefragt
Die Jugendfeuerwehr Liedolsheim bereitet sich auf die Abnahme der Leistungsspange vor.
Die Schläuche liegen zusammengerollt auf dem Boden. „Gruppe 1 bereit?“, fragt Jugendwart Marco Förderer. „Ja“, schallt es neun stimmig zurück. „Weiß jeder, was er zu tun hat?“ Kollektives Nicken. Alles klar bei Gruppe 1 der Jugendfeuerwehr Liedolsheim, die angetreten ist, um für die Leistungsspange zu trainieren. Also: „Achtung – fertig – und los.“ Als erstes steht an diesem Abend die Schnelligkeitsübung auf dem Programm. Dabei müssen, außer dem Gruppenführer, alle acht anderen Mannschaftsmitglieder so schnell wie möglich einen C-Schlauch hintereinander verlegen und die Schläuche aneinanderkoppeln. Ein Schlauch ist 15 Meter lang, macht 120 Meter. Nach maximal 75 Sekunden muss die Schlauchleitung „stehen“. Dann reicht es noch für einen Punkt. Dauert es länger, gibt’s nix. Gruppe 1 schafft es deutlich schneller. Auch Gruppe 2 ist gut in der Zeit. „Aufpassen, dass kein Dreher drin ist. Das ist das Wichtigste“, warnt Marco Förderer. Der Schlauch liegt nicht so, wie er soll. „Das geht besser. Noch einmal.“ Zurück. „Achtung – fertig – und los.“ Jetzt klappt’s. Der Jugendwart und Jugendgruppenleiter Jonas Seitz, der ihn unterstützt, sind zufrieden. „Die Schläuche müssen sauber ausgerollt werden. Sonst könnte es im Ernstfall Probleme geben“, erklären sie. „Bei der Leistungsabnahme wird darauf ganz genau geachtet.“
Die Leistungsspange ist ein besonderer Meilenstein für die Nachwuchsfeuerwehrleute. Von der Abteilung Liedolsheim wollen am Samstag, 7. Juli, elf Jungs und ein Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren das höchste Abzeichen der Deutschen Jugendfeuerwehr schaffen. Bei einer Gruppenstärke von neun Mann (beziehungsweise Frau) bedeutet das: „Einige müssen doppelt ran. Das ist nicht ohne“, verdeutlicht Jonas Seitz. 2014 hat die Liedolsheimer Jugendfeuerwehr letztmals teilgenommen. Jonas Seitz war dabei. Diesmal ist die Abnahme vor heimischer Kulisse auf dem Platz des TV Liedolsheim. Also da, wo die Jugendfeuerwehr auch üben darf. „Wir wissen, was wir erarbeitet haben. Jetzt müssen wir unser Können zeigen“, meint der 15-jährige Joshua Albrecht. Teamgeist und Zusammenhalt wären nirgendwo anders so ausgeprägt wie bei der Jugendfeuerwehr, findet er.
„Die Leistungsspange ist das einzige Abzeichen aus dem Jugendbereich, das später dann an der Aktiven-Uniform getragen werden darf“, unterstreicht Jan Becker aus Karlsbad, der Kreisjugendfeuerwehrwart des Landkreises Karlsruhe, die Bedeutung. Fünf Teilbereiche gibt es: Schnelligkeitsübung, Löschangriff, Kugelstoßen, Staffellauf, außerdem wird Theorie geprüft. Alles an einem Tag. „Einzelkämpfer sind da nicht gefragt. Entweder alle schaffen es oder alle fallen durch“, sagt Jan Becker. Auch Disziplin und der Umgang miteinander werden bewertet. Von Schiedsrichtern, die penibel auf alles achten. Später bei richtigen Einsätzen können Menschenleben davon abhängen.
30 Kinder und Jugendliche, darunter zwei Mädchen, im Alter von sechs bis 17 Jahren hat die bereits 1966 gegründete Jugendfeuerwehr Liedolsheim, „das ist ordentlich“, betont Marco Förderer. Spielerisch werde ihnen der Umgang mit den Geräten der Feuerwehr und das Zusammenarbeiten bei Übungen vermittelt. In Baden- Württemberg kommen die Nachwuchsfeuerwehrleute mit 17 Jahren in die aktive Wehr. Ausbildungen und Übungen dürfen sie dann mitmachen, Einsätze erst ab 18. Im September belege sie einen Grundlehrgang, erzählt Jana Meyer (17). Mit Kilian, ebenfalls von der Jugendfeuerwehr Liedolsheim. „Meine Mutter ist bei der Feuerwehr, ich bin seit fünf Jahren dabei“, sagt Jana. Der Zusammenhalt, die Teamarbeit, das ist es, was sie bei der Jugendfeuerwehr schätzt. „Ich denke schon, dass ich später dabei bleibe“, meint Jendrik Seitz (15). Klar, er kommt ja aus einer Feuerwehrfamilie. Sein älterer Bruder Jonas ist, genau, Jugendgruppenleiter. Und Vater Markus der Liedolsheimer Abteilungskommandant. „Durch ihn bin ich schon vor der ersten Klasse dazugekommen“, verrät Jendrik. „Freiwillig dazugekommen“, fügt er hinzu und lacht.
Im März haben die Liedolsheimer mit der Vorbereitung auf den wichtigen Abnahmetag der Leistungsspange begonnen. Erst einmal, seit Mai zweimal wöchentlich. Vor allem die Schnelligkeitsprüfung habe es in sich, bis jeder Griff sitze, meint Marco Förderer – bevor es zum Löschangriff geht. „Dort hinten“, er zeigt auf das andere Ende der Rasenfläche, „steht eine Blockhütte in Flammen. Die muss mit Wasserentnahme aus einem offenem Gewässer gelöscht werden“, beschreibt er das angenommene Szenario. Ruhig werden Saugschläuche aneinandergekoppelt und zur Pumpe verlegt. Von dort wird der Löschangriff in Richtung „brennendes Objekt“ aufgebaut. Der Schlauchtrupp legt die Leitung. Angriffs- und Wassertrupp gehen zuerst vor. Dann rückt der Schlauchtrupp nach. Und vom Maschinisten kommt das Kommando „Wasser marsch“. Üben sei eine Sache, meint Marco Förderer. „Am Wettkampftag ist das dann nochmal was ganz anderes. Da geht das Adrenalin hoch.“ Aber heute ist der Liedolsheimer Jugendfeuerwehrwart zufrieden.
Die Abnahme zur Jugendfeuerwehrleistungsspange findet am Samstag, 7. Juli, (etwa 9 bis 14 Uhr) auf dem Platz des TV Liedolsheim statt. Voraussichtliche Teilnehmer: je zwei Gruppen aus Kraichtal, Kornwestheim, Niefern Öschelbronn und Liedolsheim sowie eine Gruppe aus Hambrücken.
Die Jugendfeuerwehr des Landkreises Karlsruhe war 2017 mit 1 824 Mitgliedern (437 Mädchen) in 95 Jugendfeuerwehren eine der mitgliederstärksten Baden-Württembergs. Die Jugendfeuerwehr ist in jedem Ort im Landkreis präsent. Mitglieder (Stand 31.12. 2017) im Bereich der BNN Hardtausgabe:
Dettenheim: 55 (davon 8 Mädchen);
Graben-Neudorf: 44 (9);
Linkenheim-Hochstetten: 56 (20),
Stutensee: 78 (17),
Eggenstein-Leopoldshafen: 76 (18),
Weingarten: 18 (2),
Pfinztal: 62 (13),
Walzbachtal: 38 (8).
Das Eintrittsalter zur Jugendfeuerwehr ist gemeindeabhängig. In der Regel nehmen die freiwilligen Feuerwehren Kinder ab 10 bis 12 Jahren in die Jugendfeuerwehr auf. Gibt es eine Kindergruppe, dürfen auch schon Sechsjährige mitmachen. Infos bei jeder Feuerwehr vor Ort oder bei der Jugendfeuerwehr des Landkreises Karlsruhe: jf-landkreis-karlsruhe.de.
Diffiziles Pflänzchen
Stramm stehen. Hände an die Hosennaht. Befehle geben oder empfangen: Die Freiwilligen Feuerwehren wären wohl kaum so schlagkräftig, würden nicht schon in jungen Jahren Hierarchien verinnerlicht und professionelles Handeln geübt. Schließlich muss, wenn es später im Ernstfall um Menschenleben geht, alles sitzen wie im Schlaf. Trotz aller gebotener Strenge und Disziplin, es ist gerade auch der Teamgeist und der Zusammenhalt, den Jungs, aber auch immer mehr Mädchen, an der Jugendfeuerwehr zu schätzen wissen. Für Einzelkämpfertypen ist da genau so wenig Platz wie für Ellenbogenmentalität. Die Jugendfeuerwehr im Landkreis Karlsruhe ist eine der mitgliederstärksten Baden-Württembergs und eine wichtige Basis für die Freiwilligen Feuerwehren – auch in der Hardt Aber: Das Ehrenamt wird für die Jugend zunehmend unattraktiver. Nur mit intensiver Nachwuchsarbeit kann es gelingen, den Personalbedarf von morgen zu decken. Keine leichte Aufgabe für all die engagierten Jugendwarte in den Abteilungen von Dettenheim bis Walzbachtal, der Kampf von Vereinen und Organisationen um den Nachwuchs ist längst entbrannt. Der Mitgliederstand der Kreis-Jugendfeuerwehr konnte 2017 gehalten werden. Zuversichtlich stimmt Kreisjugendfeuerwehrwart Jan Becker auch, dass der Ausbau von Kindergruppen forciert worden ist. Sportvereine gehen im Wettlauf um neue Mitglieder in Kindergärten. Die Jugendfeuerwehr hat lange gebraucht, bis sie auf den Zug aufgesprungen ist, Kinder früh zu binden. Dass man sich verstärkt darauf besinnt, diese Rechnung geht auf: Viele Feuerwehren profitieren von ihrer Jugend als Hauptnachwuchsquelle. Doch Nachwuchsarbeit ist ein diffiziles Pflänzchen. Wo gute Jugendarbeit geleistet wird, werden auch viele Kinder oder Jugendliche erreicht. Im Sport- und Musikverein genauso wie bei der Feuerwehr. Letztendlich ist der Erfolg abhängig von den Protagonisten vor Ort.
Artikel von Manfred Spitz, Fotos von Rake Hora; mit freundlicher Genehmigung der Badischen Neuesten Nachrichten